(Publiziert am 17. Mai 2025 in der alle zwei Wochen erscheinenden Print-Kolumne GRENACHER)
Liebe Nicht-Fricktaler
Habt ihr die Nachrichten verfolgt?
Das kleine Fricktal soll erneut die Energieversorgung der Schweiz retten. Unser bescheidener Landstrich im nordwestlichen Zipfel des Aargaus wird bald drei von insgesamt fünf notwendigen neuen Schweizer Reservekraftwerken beherbergen. Zwei Notkraftwerke gleich in Eiken, ein weiteres in Stein werden zusammen 237 Megawatt ins Stromnetz einspeisen.
Es ist nicht das erste Mal, dass unsere Region einen überproportionalen Beitrag zur Energieversorgung der Schweiz leistet. Seit Jahrzehnten steht in unserer Region das leistungsstärkste Atomkraftwerk der Schweiz: Leibstadt mit seinen 1220 Megawatt. Und hätte sich die Bevölkerung in den 1970er Jahren nicht gegen das geplante AKW Kaiseraugst gewehrt, wäre das Fricktal heute wohl das Herz der schweizerischen Atomenergie.
Nun sollen wir die Stromlücke schliessen, die wir Doris Leuthard verdanken, einer Frau aus dem aargauischen Freiamt, welche die missglückte Energiestrategie initiierte. Keine der seinerzeit beschlossenen Massnahmen, sagte Energieminister Albert Rösti diese Woche, vermag die gesamtschweizerische Versorgungssicherheit gewährleisten.
Darum müssen Notkraftwerke her. Und wohin damit?
Ins Fricktal natürlich!
Das hat durchaus seine Logik: Wir verfügen über die nötige Industrie-Infrastruktur im Sisslerfeld, mit Bahnanschluss, Tanklager und bestehenden Sicherheitsstrukturen. Die betroffenen Gemeindeammänner Stefan Grunder aus Eiken und Beat Käser aus Stein nehmen es gelassen; freuen sich sogar über den biogenen Brennstoff, mit dem die Anlagen klimaneutral betrieben werden sollen – obwohl Fachleute bezweifeln, dass dieser in ausreichenden Mengen verfügbar sein wird.
Trotzdem nehmen wir Fricktaler unsere nationale Verantwortung an. Während ihr Rest-Schweizer, ob im Mittelland, in den Alpen, am Zugersee oder Lac Léman bei einer allfälligen Strommangellage im Warmen sitzt, werden unsere Notkraftwerke summen und wir werden, der Möhliner Jetstream lässt grüssen, den biogenen Treibstoff in der Nase haben, wenn der Wind ungünstig steht – aber hey, dafür habt ihr Licht!
Ihr dürft uns also ruhig mal Danke sagen.
Danke, dass wir diese Notkraftwerke bauen lassen, damit ihr keine Blackouts erlebt. Danke, dass wir seit Jahrzehnten mit einem Atomkraftwerk einen Sechstel des gesamten Schweizer Pfuus produzieren. Und danke, dass wir weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit der Schweiz leisten – auch, weil wir in Laufenburg ab 2028 den weltgrössten Batteriespeicher beherbergen.
Allerdings wären wir auch dankbar, wenn ihr bei der nächsten Energiestrategie etwas vorausschauender planen würdet. Wenn 2032 und 2033 die beiden Beznau-Reaktoren vom Netz gehen, braucht die Schweiz laut Elcom erneut Notkraftwerke mit bis zu 1400 Megawatt Leistung.
Nun ratet mal, wo die dann wohl stehen werden.