GRENACHER
 

(Publiziert am 09. September 2023 in dem alle zwei Wochen erscheinenden GRENACHER)

Lieber Rainer Schaub

Als Gemeindeammann von Sisseln haben Sie es gut: Der Strom kostet bei Ihnen im nächsten Jahr am wenigsten im ganzen Fricktal und der Steuerfuss von 80 Prozent ist ein ebenso tolles Standortargument wie ihr wohltuendes Verbot von Wahlplakaten an Kandelabern. Schliesslich werden im Dorf auch grad noch die Bushaltestellen barrierefrei gemacht für Leute, die im Rollstuhl sitzen oder mit dem Rollator unterwegs sind und die Kids freuen sich am neuen Aussenschulzimmer, wo Wissenswertes über Pflanzen, Tiere und Umwelt vermittelt wird.

Alles paletti also im Dorf am Rand der grössten Industriebrache der Nordwestschweiz.

Leider aber sagten 191 Einwohnerinnen und Einwohner von Sisseln Nein zum angedachten Zusammenschluss der vier Gemeinden Stein, Münchwilen, Eiken und Sisseln. Das waren 17 Personen mehr als jene 174 Sissler, die weiteren Fusionsabklärungen zugestimmt haben.

Das hat Sie, als eine der treibenden Kräfte der sinnvollen Gemeindefusion, offenbar in eine Art Schockstarre versetzt: «Sisseln sagt Nein. Wir steigen aus. Weitere Abklärungen sind für uns kein gangbarer Weg. Der Volkswille will es nicht» werden Sie in der Lokalpresse zitiert.

So, lieber Herr Schaub, kann man Demokratie durchaus praktizieren, da haben Sie recht.
Aber es gibt noch eine andere Sichtweise: In den drei anderen Gemeinden sagten mindestens acht von zehn Abstimmenden Ja zum Anliegen einer Fusion. An der gesamten Umfrage haben allerdings in allen vier Gemeinden nicht einmal ein Viertel aller Einwohnerinnen und Einwohner ab 14 Jahren (!) teilgenommen. Wenn das Gemeinwesen also nur noch das Hobby einiger wenigen gutgläubigen Demokraten ist, darf sich ihr Gemeinderat auch mal erlauben, den Takt vorzugeben – zumal
es auch in Ihrer Gemeinde immerhin 174 demokratisch interessierte Vernünftige ab 14 Jahren gibt.

Auch wenn Sie nun verlangen, ein Mitmachen von Sisseln bei einem neuen Fusions-Anlauf müsste von der Bevölkerung angestossen werden, der Gemeinderat werde von sich aus nicht mehr aktiv, bitte ich Sie, das Steuer als Gemeindeammann resolut in die Hand nehmen. Sie müssen mit ihren Gemeinderats-Gspändli aus Eiken, Münchwilen und Stein Kraft ihres Amtes die weiteren Fusionsabklärungen vorantreiben – ich bin mir sicher, eine Gemeindeversammlung diesen Herbst würde Sie im Nachgang in diesem Vorhaben unterstützen.

Sie zögern noch?

Dann nutzen Sie doch das geplante Einwohnergespräch vom 14. September zu einem ersten Stimmungstest: Ursprünglich geplant ist ja, über Ideen für eine verbesserte Freizeitgestaltung in Sisseln zu diskutieren.

Ich würde Ihnen empfehlen, den Diskussionsradius am nächsten Donnerstag etwas zu erweitern – und über eine verbesserte Zukunft für Sisseln als Ortsteil einer starken Gemeinde zu reden.

17 Stimmen Unterschied in einer simplen Umfrage die keine demokratisch legitimierte Abstimmung war, dürfen nicht die zwingende gemeinsame Zukunft der Sisslerfeld-Gemeinden verhindern.

Es ist darum Ihre gebotene Pflicht als Gemeindeammann, das Morgen im Sisslerfeld zu sichern.

Christoph Grenacher leitete verschiedene Medientitel. Heute ist er Inhaber der Kommunikationsagentur Mediaform. Er lebt im Kaister Ortsteil Ittenthal, in Zürich und im Engadin. grenacher@azkolumne.ch